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Die Schöne und das Biest:

Exposé und Kaufvertrag beim Immobilienerwerb, oder warum der eigene Anwalt Gold wert ist.

A. Sachverhalt

Sie wollen als Investor ein mit einem Wohnhaus (nebst Terrasse) bebautes Grundstück erwerben. Der Kaufpreis beträgt. € 550.000,00. Der Verkäufer hatte ein Exposé ins Internet gestellt. Dort heißt es:

„Die Wohnfläche beträgt ca. 200 m2, die Nutzfläche ca. 15 m2“.

Das ist die schöne Verführung: Der Quadratmeterkaufpreis der Wohnfläche beläuft sich also auf höchstens € 2.750,00 (550.000 : 200). Sie kennen den Markt. So ein Objekt lässt sich ohne weiteres für mindestens € 3.000,00 den Quadratmeter Wohnfläche weiterverkaufen.

Sie besichtigen das Objekt mehrmals, die Wohnräume und die Terrasse sind ziemlich groß. Aber sie sind erfahren und vorsichtig und fragen nach:

Der Verkäufer übergibt Ihnen Grundrisse mit Flächenangaben: Räume und Dachterrasse summieren sich dort auf 215 m2.

Der Notar Ihres Vertrauens soll den Vertrag beurkunden. In seinem Standardkaufvertrag steht:

„Der Veräußerer ist eingetragener Eigentümer des Grundstücks …Das Grundstück ist nach Angaben des Verkäufers mit einem Einfamilienhaus bebaut, es wird nachstehend als „der Kaufgegenstand“ bezeichnet.“

Das ist das Biest: Zu den Flächen sagt der Vertragstext nichts.

Mit dem Verkäufer ist ja aber auch alles im Detail geklärt. Es gibt nachprüfbare Unterlagen. Der Verkäufer ist nachweisbar seriös. Tatsächlich lügt er nicht und verschweigt auch nichts.

Außerdem haben Sie (vielleicht) im Gesetz nachgelesen: Der Verkäufer haftet für seine öffentlichen Äußerungen über Eigenschaften des Kaufgegenstandes (also z.B. für Flächenangaben in Exposés) und für ein (vor Vertragsschluss abgegebenes) stillschweigendes Versprechen von Eigenschaften (z.B. Kilometerstand eines Motorrads in der Beschreibung bei eBay), sog. Beschaffenheitsvereinbarungen, vgl. § 434 Abs. 1 Satz 1 und Satz 3 BGB.

Sie beurkunden.

Als Sie weiterverkaufen wollen, lässt einer der Interessent die Flächen von einem Architekten berechnen: Gesamtwohnfläche 171 m2 (unangreifbar). Kein Interessent bietet mehr als € 513.000,00 (171 m2 x 3000,00 €/m2).

Sie verklagen Ihren Verkäufer auf € 66.411,00 (Kaufpreisminderung, Schadenersatz).

Und verlieren!

B. Rechtsprechung

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes („BGH„), des höchsten deutschen
Gerichts in Zivilsachen, haftet der Verkäufer in diesem Fall nicht für seine falschen Angaben zur Wohnraumgröße.

I. keine falsche öffentliche Äußerung (§ 434 Abs. 1 Satz 3 BGB)

  1. Die Quadratmeterangaben im Exposé („Die Wohnfläche beträgt ca. 200 m2, die Nutzfläche ca. 15 m2“.) waren richtig:

    „Aus den Angaben [des Verkäufers] in dem Exposé und den im Internet publizierten Anzeigen ergibt sich schon deshalb keine Haftung gem. § 434 Abs. 1 Satz 3 BGB, weil die tatsächliche Wohnfläche der Räume nicht von der Größe abweicht, die ein durchschnittlicher Käufer bei einer Wohnflächenangabe von ca. 200 m2 erwarten durfte“, BGH Urteil vom 6. 11. 2015, Az. V ZR 78/14, https://openjur.de/u/872059.print

  2. Die Übergabe der Grundrisse mit den Flächenangaben („Räume und Dachterrasse summieren sich dort auf 215 m2“) hat nur der Käufer bekommen, sie waren also ersichtlich nicht „öffentlich“.

II. keine Beschaffenheitsvereinbarung (§ 434 Abs. 1 Satz 1 BGB)

  1. Die Quadratmeterangabe im Exposé ist kein stillschweigendes Versprechen von 200 m2 Wohnfläche, weil die Exposé-Angaben nicht das letzte Wort des Verkäufers gewesen waren; das waren die übergebenen Grundrisse:

    „Die Angaben im Exposé [des Verkäufers] und in ihren Anzeigen sind nicht Gegenstand einer Beschaffenheitsvereinbarung der Parteien nach § 434 Abs. 1 Satz 1 BGB geworden; das folgt bereits daraus, dass die Flächenangaben durch die den Käufern vor Vertragsschluss ausgehändigten Grundrisszeichnungen mit Angaben über die Flächen der einzelnen Räume …konkretisiert worden ist“, BGH Urteil vom 6. 11. 2015, Az. V ZR 78/14, https://openjur.de/u/872059.print

  2. Die Quadratmeterangabe in den Grundrissen ist kein stillschweigendes Versprechen von 200 m2 Wohnfläche, weil die Größenzusicherung nicht im Text des Notarvertrages steht (bzw. die Grundrisse nicht als Anlagen zum Notarvertrag gemacht wurden):

    „Eine Beschreibung von Eigenschaften eines Grundstücks oder Gebäude durch den Verkäufer vor Vertragsschluss, die in der notariellen Urkunde keinen Niederschlag findet, führt … nicht zu einer Beschaffenheitsvereinbarung nach § 434 Abs. 1 Satz 1 BGB… Der Käufer [eines Grundstücks] kann nicht davon ausgehen, dass der Verkäufer mit ihm eine bestimmte Beschaffenheit vereinbaren will, wenn die Beschaffenheit im Kaufvertrag nicht erwähnt wird“, BGH Urteil vom 6. 11. 2015, Az. V ZR 78/14, https://openjur.de/u/872059.print

C. anwaltlicher Rat

Angesichts des Kaufpreises für das Grundstück besteht für den Investor bei dieser Transaktion das rechtliche Risiko, dass sich die Wohnfläche von 200 m2 als unzutreffend niedriger erweist. Der (vor Beurkundung!) zur Prüfung des gesamten Deals und des Kaufvertragsentwurfs hinzugezogene Anwalt des Investors beurteilt auch die hier geschilderte Sach- und Rechtsage als Teilaspekt der ganzen Transaktion. Zur Absicherung dieses Risikos formuliert er eine ausdrückliche Beschaffenheitsvereinbarung über die Wohnfläche in den Vertragsentwurf hinein (Bonität des Verkäufers vorausgesetzt). Bei einem Notarvertrag mit entsprechender Beschaffenheitsvereinbarung wäre der Verkäufer hier zu Minderung oder Schadenersatz in Höhe der geltend gemachten € 66.411,00 verpflichtet gewesen (§ 437 BGB).

Die für die Transaktionsberatung anfallenden Anwaltskosten hätten sich nach dem Rechtsberatungsvergütungsgesetz auf (voraussichtlich) brutto € 4.993,48 belaufen. Selbst wenn die anwaltliche Prüfung der gesamten Transaktion also nur dieses eine Risiko zu Tage gefördert und abgesichert hätte, wären dem Investor wirtschaftliche Nachteile in Höhe von € 61.417,52 erspart geblieben.

Also, rufen Sie an!